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Das Bewusstsein Jesu

Gastartikel von Eva Scherrer

Es wird in diesem Artikel nicht um Kritik an der Kirche gehen. Das würde die Menschen in gläubige Kirchgänger und Verweigerer spalten. Gespalten wird ansonsten überall genug. 

In unseren aufgeklärten Zeiten ist es wohl durchaus normal, keinen Glauben zu haben, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören. Viele von uns, die noch zum Christen getauft wurden, später die Firmung oder die Konfirmation feierten, haben sich, außer vielleicht an hohen Feiertagen, gänzlich losgesagt, können mit der heutigen Kirche nichts mehr anfangen.

Nein, das Leben hat die meisten von uns gelehrt, dass es mehr gibt als die rationale Wirklichkeit = Materialität, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als es der wissenschaftlich denkende Mensch – um Ernst genommen zu werden – publizieren darf. Es gibt etwas jenseits der rationalen, berechenbaren Welt. Es ist das Innere Universum, welches nur den Gefühlen, der Intuition und den nicht kausal begründbaren Erkenntnissen offen steht. Aber Inneres Universum und Äußeres, rationales Universum machen erst die ganze Tiefe des Lebens, die ganze Tiefe der Existenz möglich. Und das Bewusstsein als gegenwärtig sowohl im Inneren als auch im Äußeren Universum ist der Gradmesser des Entwicklungsstandes im rationalen Zeitpfeil.

Es wird festgehalten, dass sich Bewusstsein entwickelt, wir in mehreren Frequenzen gleichzeitig leben, z.B. Schlaf (magisch unbewusst), Traum (mythisch bildhaft, zeitlos), Wachbewusstsein (mental/rational). Die neueste Frequenz des so genannten Integralen ist noch sehr unüblich, immer mehr Menschen bekommen aber eine Ahnung davon.

Vor ca 2500 Jahren erwachten Menschen weltweit aus dem Einssein mit der Natur (Traum), aus dem zeitlosen Ozean des Seins (magisch) zu einem Ichbewusstsein unterschiedlicher Ausprägungen, sahen sich selbst der Welt gegenüber stehend, als Polarität noch eingebunden oder sogar als Gegensatz gegenüber stehend.

Karl Jasper spricht von der Achsenzeit, in der sich weltweit Neues entwickelte.

Der Inder Siddhartha Gautama, ca 500 v. Chr., setzte den magischen Göttern eine unsichtbare Welt entgegen (früh Ichbewusst) und begründete damit den Buddhismus mit dem Ziel Nirwana zu erreichen. Die Menschen in der Bibel, Adam und Eva (etwa ab 900 v.Chr. schriftlich fixiert), wurden aus dem Paradies vertrieben, weil sie vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten, sie damit zum Ichbewusstsein erwachten. 

In Griechenland begannen Philosophen ca 600 v. Chr. die Welt rational zu erklären, schafften erste Demokratieansätze.

Die monotheistischen Religionen korrelieren mit dem Erwachen des Ich. Ein einziger Gott steht jetzt dem einzelnen Menschen gegenüber.

Kundige Bibelforscher der Alten Testamentes können in den Texten genau diesen Bewusstseinssprung erkennen. Kundige Forscher der griechischen Kultur erkennen auch dort einen Bewusstseinssprung. Odysseus spricht als erster das Wort ICH.

Jesus, in dieses Bewusstsein der beginnenden Rationalität hineingeboren, scheint aber noch aus einer „höheren“ Welt zu kommen. Ob er nun Gott als Sohn Gottes ist, der die Menschen / die Welt erlöst, oder ob er als außergewöhnlicher Mensch uns geschickt wurde, selbst also nur im übertragenden Sinne göttlich ist, bleibt noch ein Rätsel. Für viele ist das Glaubenssache.

Es gibt den Spruch „glauben heißt nicht wissen“. Einige glauben aus dem Gefühl heraus, andere wissen, weil sie Erleuchtungen hatten, die sie aber nicht rational begründen können.

Viele Jesus zugeschriebene Reden sind vom Mental/Rationalen her nicht einsichtig. Hat er nun 5000 Brote und Fische gezaubert oder soll dies ein Gleichnis sein? Ist er realiter über das Wasser gegangen, hat er Wasser in Wein verwandelt?

Rational unmöglich wird es also als Metapher für das Göttliche gehalten und kann nun geglaubt werden.

Kann er Tote zum Leben erwecken? Kann er heilen durch Vergebung bei vorhandenem Glauben? Ist er auferstanden? Lebt er? Erleuchtete Menschen wissen, können aber ihre persönliche Innere Welt nur über die gemeinsame Innere Welt anderer weitergeben, sie – als authentische „Heilige“, als Vorbild – können Menschen mitreißen, nicht aber rational überzeugen.

Wer kann in diesen heutigen rationalisierten, materialisierten Zeiten dem noch viel abgewinnen? Gott ist tot, sagte schon Nietzsche. 

Aber die Sehnsucht nach dem Inneren Universum ist stark. Muslime haben noch den Glauben, Zugang zum Inneren Universum, viele beneiden sie um ihn. Das ist ein Grund mehr, warum Muslime die westliche Wertegemeinschaft nicht unbedingt mehr schätzen können als ihre eigene Tradition.

Hat das Christentum denn gar keinen Wert mehr, kann das Christentum nicht auch neue Spiritualität leben?

Ist der Glaube und das Wissen um Jesus nun auch tot, nur eine hübsche Legende? 

Nein, und ich will versuchen es von meinem Laienverstand her zu begründen.

Jesus kam in eine Zeit, die im Wandel stand, und scheint diesem Wandel noch um eine Bewusstseinsfrequenz weiter gewesen zu sein. Die oben angeführten Beispiele seiner Reden und Taten kann man rational nicht verstehen, kann man nur durch Erleuchtung wissen. Aber man kann sie integral sichtbar machen.

Sichtbar – evident – bedeutet einleuchtend, es ist mehr als Glauben und Wissen, es ist eben sichtbar, sowohl aus dem Inneren als auch aus dem Äußeren Universum herkommend wahr.

Das Integrale Bewusstsein scheint die Welt zu sein, aus der Jesus heraus wirkt.

Drei Erkenntnisse, die immer mehr in die Köpfe und Herzen der Menschen hineinwachsen, liegen dieser neuen Frequenz des Bewusstseins zugrunde.

1. Das ICH stellt sich wieder in den Hintergrund, die biblische Erkenntnis, die die Schlange uns einredete, die Trennung, der Gegensatz zwischen dem ICH und der Welt wird wieder aufgehoben. Das Ich bleibt, ordnet sich aber wieder in das WIR ein, wird damit Objekt. Es wird als Objekt Subjekt unter anderen Subjekten. Dies bedeutet Ich-Freiheit. Die Gegensätze werden aufgehoben, es gilt wieder die Polarität oder Komplementarität aller Erscheinungen.

Jesus sagt, du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst, nicht ich zuerst, nicht altruistisch der andere zuerst. Er identifiziert sich persönlich niemals mit dem, was er sagt, er spricht also eigentlich immer „ex cathedra“. Persönliche Animositäten unter uns Menschen sind nicht mehr möglich, da immer nur das Beste für alle zählt.

2. Durch Naturwissenschaften rational belegt, gibt es nicht nur mehr als drei Perspektiven/Dimensionen sondern unendlich viele. Zumindest ist heute die vierdimensionale Raumzeit für uns alle relevant. Ohne sie gäbe es unsere Technik und Fortschritte nicht. Alle Perspektiven/Dimensionen sind gleichwertig und erweitern das Bewusstsein.

Jesus beschreibt in seinen Gleichnissen viele unterschiedliche Perspektiven, die am Ende zu der Erkenntnis führen, dass, wenn man alle Perspektiven, soweit erkannt, berücksichtigt, der Mensch nichts falsch machen kann (zum Beispiel Samariter, Maria Magdalena, die, die den Sabbat nicht heiligen). Er urteilt nicht mehr aus dem Ich heraus, sondern urteilt und handelt auf der allem immanenten Ebene. Der Mensch wird Perspektive-frei.

3. Wegen der vielen Dimensionen, in die die Zeit mit integriert ist, ist auch der Fakt des Zeitpfeils nur noch im Rationalen bedingt haltbar. Physik, die Naturwissenschaft, ist da aber schon weiter.

Es gibt keine Zeit, bzw paradox, es gibt unendlich viele Zeiten, die alle in der Gegenwart kumulieren. Das ist a-rational. Leben ist Tod und Tod ist Leben, es ist nur eine polare Perspektive. Es gibt nur eine alles umfassende Gegenwart. Manchmal ist die Wirkung vor der Ursache im Zeitpfei, a-rationall

Der Mensch ist Zeit- frei.

In diesem Sinne ist auch die Auferstehung von den Toten kein Gleichnis, sie ist wahr, sie ist evident.

Wer diese Bewusstseinsfrequenz des Integralen erfährt, in ihm leben kann, hat das ewige Leben. „Zum Vater kommt ihr nur durch mich“ bedeutet, dass wir in der Nachfolge von Jesus ins Integrale Bewusstsein teilhaben werden an der Ewigkeit.

„Laßt die Toten die Toten begraben“ bedeutet dann, dass die, die dem Integralen nicht folgen können, im Tod wieder zurück ins unbewusste Zeitenmeer eingehen.

Jeder mag für sich Bibelstellen beleuchten, die unter oben genannten Erkenntnissen gelesen, genau zum integralen Jesus, ja zum kosmischen Jesus führen.

Und nur das kann in dieser chaotischen Welt die Zukunft sein.

Mehr von Eva Scherrer findest du hier: Jean Gebser prophezeite das Kommen des integralen Bewusstseins und Die drei Merkmale des integralen Bewusstseins.

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