Integrales Christentum

Christian M. Rutishauser schreibt in seiner Hinführung zu dem Büchlein“ Mystische Wege. Christlich, integral, interreligiös. Hg. von Christian Rutishauser und Michael Hasenauer, Vier-Türme Verlag: Münsterschwarzach, 2016″:

Die ersten Christen wurden „Anhänger des neuen Weges“ (Apg 9,2) genannt. In der Nachfolge Jesu und inspiriert durch den Auferstandenen lebten sie eine eigene und besondere jüdische Lebenspraxis.

So ähnlich machen es auch die Christen, die heute versuchen, den integralen Ansatz auf ihr Christsein anzuwenden.

Der integrale Ansatz ist eine zeitgenössische Meta-Theorie, die bereits vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen (Wirtschaft, Kunst, Pädagogik usw.) geholfen hat, Inhalte neu zu strukturieren, sich selbst und andere besser zu verstehen und neue Lebens-, Arbeits- und Sichtweisen zu entwickeln und zu verwirklichen.

Der Philosoph Ken Wilber beschreibt dieses Unterfangen so:

Was wäre, wenn wir buchstäblich alles, was uns die verschiedenen Kulturen über das menschliche Potenzial zu sagen haben – über geistiges Wachstum, psychologisches Wachstum, soziales Wachstum – auf den Tisch legen würden? […] Diese Landkarte nutzt alle bekannten Systeme und Modelle des menschlichen Wachstums – von den alten Schamanen und Weisen bis zu den heutigen Durchbrüchen in der Kognitionswissenschaft – und destilliert deren Hauptkomponenten in fünf einfache Faktoren, Faktoren, die die wesentlichen Elemente oder Schlüssel zur Entriegelung und Erleichterung der menschlichen Evolution sind.

Plattform „Integral Life“

Dieser integrale Ansatz hilft beim Umgang mit Glaubenskrisen, kann im Rahmen der Seelsorge oder der spirituellen Begleitung mehr Klarheit schaffen, das geistliche Leben und die Spiritualität bereichern, Konflikte und Prozesse besser nachvollziehbar machen, für sinnvolle Differenzierungen sorgen und vieles mehr. Er wurde bereits konfessionsübergreifend von zahlreichen Christen weltweit für die eigene Theologie und Spiritualität furchtbar gemacht, bewährt sich im Coaching und überzeugt durch seine praktische Anwendbarkeit.

Häufig werde ich gebeten, eben mal schnell zu sagen, worum es sich bei dem integralen Ansatz oder den integralen Theorie(n)  handelt. Das ist jedoch gar nicht so einfach. Die Schwierigkeit sich beim Erklären „kurz“zu fassen, liegt vermutlich daran, dass es sich bei dem Ansatz um ein umfassendes Modell, eine Meta-Theorie, handelt, die nicht selten als die „Theorie von allem“ bezeichnet wird. Noch komplizierter wird es dadurch, dass es gar nicht DIE eine Theorie, sondern viele verschiedene Versionen davon gibt. Obwohl die integrale(n) Theorie(n) heute ohne den US-amerikanischen Philosophen Ken Wilber kaum denkbar wären, ist er bei weitem nicht der einzige integrale Denker. Es handelt sich vielmehr um eine breite philosophische Strömung mit zahlreichen Theoretikern und Akteuren. Dazu zählt neben Spiral Dynamics von Graves/Beck/Cowan auch der sog. „Metamodernismus“ von Daniel Görtz („Hanzi Freinacht“), der sich als Fortführung der „Postmoderne“ versteht, aber auch der „Critical Realism“ bzw. die „MetaReality“ von Roy Bhaskar.

Der Begriff „integral“ meint „umfassend, einschließend, umarmend, ausgewogen, ganzheitlich“. Demenentsprechend vereint der Ansatz bestimmte Elemente, die jeweils dabei helfen sollen, unterschiedlichen Perspektiven einzunehmen und dadurch zu einem umfassenderen Verständnis einer Sache oder einer Situation zu gelangen. Mehr dazu findet ihr hier: Was bedeutet „integral“?

Der integrale Ansatz stellt somit einen Deutungsrahmen zur Verfügung, der dabei hilft, bereits existierende Inhalte neu zu strukturieren, wodurch diese nicht selten besser verstanden oder in gänzlich neuem Licht gesehen werden. Viele Menschen erzählen von einem „Aha-Effekt“ oder gar von einer vollständigen Veränderung ihres bisherigen Denkens. Einige sprechen auch von einer „psychoaktiven Wirkung“, d.h. wir gehen als Personen nicht unverändert aus einer gründlichen Beschäftigung mit dem Ansatz hervor. Wir legen daher in integralen Gemeinschaften Wert darauf, aus einer persönlichen Betroffenheit und Erfahrung zu sprechen, anstatt lediglich abstrakt Wissen oder Thesen auszutauschen.

Die fünf Elemente, die als Grundlagen des integralen Ansatzes gelten, sind: Quadranten, Ebenen, Linien, Zustände und Typen. Sie werden gerne mit „AQAL“ (all quadrants, all levels, all lines, all states, all types) abgekürzt.

Michael Habecker und Sonja Student drücken in „Wissen, Weisheit, Wirklichkeit. Perspektiven einer aufgeklärten Spiritualität“ (2011) den Sinn des Ansatzes so aus (179f.):

Manchmal wird auch direkter gefragt: Wo ist die Liebe in diesem [integralen] Modell? Es ist richtig, dass Modelle Abstraktionscharakter haben, dies liegt in ihrer Natur, doch das bedeutet nicht gleichzeitig Lieblosigkeit, im Gegenteil. Die Liebe steckt hier buchstäblich im Detail, in dem Versuch, Wirklichkeit so real wie möglich abzubilden, um damit ein bewussteres und verantwortlicheres Leben führen zu können. Viel Leid auf der Welt entsteht durch böse Absichten, das ist wahr, doch ebenso viel Leid entsteht aus Unwissenheit.

Eine zweite Schwierigkeit, die integrale Theorie „kurz“ zu erklären, ergibt sich daraus, dass ihre einzelnen Elemente, die AQAL, so zusammenhängen, dass keines unabhängig von den anderen erklärt werden kann. Mit welchem Element wir beginnen, ist also einigermaßen willkürlich und keineswegs zwingend.

Deshalb noch ein kurzer Hinweis: Grafiken sind in der integralen Theorie von großer Hilfe. Wenn ihr gute Grafiken dazu habt (die findet ihr hier auf der Seite oder auf von mir angegebenen Quellen im Internet reichlich) reicht es im Grunde meist, diese genau anzuschauen und ihr versteht die wesentlichen Elemente und auch wie diese untereinander zusammenhängen fast von ganz allein. Ohne Grafiken hingegen wird es manchmal schwer bis kaum verständlich. Eine Sammlung von passenden Grafiken und Zitaten habe ich hier auf Pinterest für euch erstellt : https://www.pinterest.de/hauser0774/integrales-christsein/

Dazu eine Playlist auf YouTube, die laufend aktualisiert und ergänzt wird: https://www.youtube.com/playlist?list=PL1Wo1y57GHpHcrLlaowbNoFjEsV_Rp0Z5

Weitere einführende Artikel findet ihr hier:

Und zuletzt hier ein einführendes Video mit Joran Slane Opelt:

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